Freecamp im Nirgendwo wird zur emotionalen Achterbahn

Eigentlich war das Freecamp, an dem wir auf dem Weg von Sydney nach Adelaide hielten, absolut nichts Besonderes. Eine unbefestigte Strasse zweigt vom Highway ab und nur Dank dem GPS weiß man, dass man am richtigen Ort ist. Kein Schild, kein Mülleimer, keine Toilette, noch nicht mal eine eindeutige Haltebucht.
Ziemlich schräg an so einem Ort zu übernachten, oder? Vor allem wenn man dort ganz alleine ist. Naja, wie sich herausstellte waren wir dort doch nicht ganz alleine.

Ok, hier ist der Grund weshalb ich zu Freecamps eine zwiespältige Meinung habe: Man weiß vorher nie wirklich was man kriegt.
Klar, Dank Wikicamps oder einer ähnlichen App, kann man sich grob vorab informieren. Aber erst wenn man den Platz erreicht, und sich die Frage stellt, ist es wirklich hier? sieht man ihn in seiner nackten Schönheit, wie er wirklich ist.

Wie muss man sich das vorstellen? Hat man Glück, ist es wie ein Autobahnrastplatz. Toiletten, ein bisschen vermülltes Gras, überfüllte Mülleimer, und Parkbuchten. Mit viel Glück ist es eine Wiese die der Gemeinde gehört, wie zum Beispiel nahe einem Sportplatz, oder es ist auf dem Grundstück einer Kneipe, die das campen erlaubt. Dort gibt es dann Toiletten, fließend Wasser und manchmal auch Duschen. Oder es ist ein Fleck mitten im Nirgendwo, das man ohne GPS Koordinaten nie als Camp identifiziert hätte.

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Mein erstes Freecamp, war wie schon vielfach erwähnt, ein absoluter Glücksgriff. Das zweite Freecamp sah dann schon anders aus. Viele Dutzend Freecamps später, habe ich eine ziemlich gute Ahnung was mich erwartet, wenn ich neben dem Highway einen solchen Rastplatz ansteuer.

Trotzdem stellten wir bei der Abfahrt vom Highway wieder die Freecamp-Frage: bleiben wir hier, oder fahren wir zum Nächsten? Gut versteckt führte vom vorgelegenen Rastplatz eine Dirtroad in ein Labyrinth aus kahlen Bäumen und rotem Staub, wo es unmöglich war festzustellen, was Straße war und was Parkplatz. Es war unseres zweite Nacht auf den etwa 1400km zwischen Sydney und Adelaide. Wir waren am ersten Tag erst spät los gekommen, da das Auto noch in die Werkstatt musste, was unsere Zeit- und Routenplanung erstmal über den Haufen warf. Wir waren müde und es wurde dunkel und blieben deshalb hier. Da das Areal groß genug war, hielten wir also einfach irgendwo und stellten unser Zelt auf.  Wir jetzt hier, wo immer hier auch genau war.

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Als wir am Abend ein paar Fotos vom Sternenhimmel machten, spürte ich einen seltsamen Schlag in der rechten Hacke. Erschrocken riß ich den Fuß nach vorne, aber weit und breit war nichts zu sehen. Für einen Moment spürte ich ein Gewicht an meinem Fuß und ein kleiner roter Punkt auf meiner Haut ließ mich vermuten, dass mich eine Maus oder vielleicht eine Ratte mit ihrem Abendessen verwechselt hatte. Von nun an blieben wir also in Bewegung und traten während dem Fotografieren auf der Stelle. Als wir schließlich ins Bett gingen, fand ich einen Handteller großen Käfer. Das war dann wohl der Übeltäter. Zumindest kein Rattenbiß…

Etwas nervös gingen wir dann zu Bett. Während wir auf meinem Handy ein Video schauten, hörte ich draußen immer wieder ein leises Rascheln, und klicken. Und ich hätte schwören können, dass da draußen jemand auf und ab ging und an unserem Auto, das direkt neben dem Zelt geparkt war, rumhantiert. Aber da war nichts. Niemand, kein anderes Auto, keine Fußspuren im Sand, außer den Unsrigen. Noch nicht mal sonderlich viel Verkehr auf dem Highway, nicht mal hundert Meter von uns entfernt.

Mit mulmigem Gefühl ging es dann immer wieder zurück ins Zelt. Schließlich war da ja nichts, oder? Eigentlich glaube ich nicht an Geister, aber seid mal ehrlich. Seid ihr nicht auch schon einmal in einer Situation gewesen, wo ihr hättet schwören können, dass da jemand ist? Kennt ihr diese unlogische, aber unwiderlegbare Gewissheit, dass da etwas ist? Auch wenn da nichts ist. Garantiert. Es ist nichts zu hören, nichts zu sehen, aber trotzdem, in einem kindlichen, primitiven Teil unseres Bewusstseins, ist da dieses Wissen. Also macht man lieber einen großen Bogen um so einen Ort, oder man kehrt einfach um. Man macht das Licht an, wenn es in einem Haus vorkommt, in der vagen Erwartung, dass man etwas sieht, wenn das Licht an ist. Für einen Moment stockt der Atem, aber im Schein der Lampen ist da… nichts. Gar nichts. Aber, wenn das Licht aus ist, ist da wieder dieses Gefühl …

An diesem Abend ging es mir definitiv so. Ich war sicher, dass da etwas war, aber immer wenn ich mit der Taschenlampe nachsah, war da nichts zu sehen. Nach dem dritten oder vierten Mal, stellte ich fest. Ok, es ist nichts zu sehen, aber es ist etwas zu hören! Und nicht nur das knacken des Motors, der nach der langen Fahrt noch am Abkühlen war. Da war etwas!

Ja, da war etwas. Eine verflucht dickköpfige kleine Maus, die sich von mir partout nicht vertreiben lassen wollte. Sie saß im Motorraum auf den Schläuchen und im Kühler, und war ganz glücklich mit ihrem Schicksal. Wir sahen das etwas anders. Was wenn das Vieh uns irgendein Kabel durchbeißt? Mitten im Nirgendwo? Nein, danke.

Aber nach dem Dritten oder vierten Mal – ich vertrieb erfolgreich die Maus, nur um sie ein paar Momente später zurück kommen zu sehen – gab ich frustriert auf, und kehrte der Welt in meinem Schlafsack demonstrativ den Rücken zu. Auftritt, meine Freundin. Gebannt beobachtete ich, wie sie rund um das Auto herum so einen Radau und Zirkus veranstaltete, dass die Maus verängstigt das Weite suchte, und nie wieder zurück kam. Erschöpft grinsend kam Sie zurück ins Zelt, und ich konnte ihr nur sprachlos zu ihrer Meisterleistung gratulieren.

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Nach einer verhältnismäßig ruhigen Nacht weckten mich am nächsten Morgen schwere Regentropfen auf dem Zelt. Wir beeilten uns schnell unsere extra Plastikplane über das Zelt zu stülpen und wurden mit einem unbeschreiblichen Sonnenaufgang belohnt. Der bewölkte Himmel strahlte in Pink, Lila, Orange und Rot. Die aufgehende Sonne lies den Himmel im Osten in orange und gelbem Licht glühen. Währenddessen sahen wir im Westen zwischen Lila und Rosa Wolken, einen kompletten Regenbogen.

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Was kann ich zum Abschluss sagen? So ist Australien nun einmal. Man weiß vorher nie, was man findet, wenn man sich einmal darauf einlässt. Aber so ist das Leben nun einmal. Manchmal macht es etwas Angst und ist zumindest ziemlich unbequem, und dann stolpert man über etwas Großartiges, mit dem man nie gerechnet hätte.

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